Van Laack Schutzkittel liegen ungenutzt in NRW herum, da sie nicht nach EN 14126 zertifiziert sind und zu schnell reißen

Schutzkittel aus der Van-Laack-Bestellung des Landes NRW liegen in mindestens zwei Unikliniken NRWs ungenutzt herum, da sie noch nicht nach der notwendigen EU-Norm für medizinische Schutzkleidung – der EN 14126 – zertifiziert worden sind. Darüber hinaus sollen sie schnell reißen.

Anfang Dezember wurde über den Auftrag des Landes NRW über 10.000.000 Schutzkittel der Firma Van Laack berichtet. Denn der Kontakt zwischen dem Van-Laack- Geschäftsführer Christian von Daniels und Ministerpräsident Armin Laschet kam über dessen Sohn, den Modeblogger Johannes „Joe“ Laschet zustande. In der Vergangenheit arbeitete „Joe“ Laschet für die Firma Van Laack als Influencer. Vorwürfe der Vetternwirtschaft oder Vorteilsannahme wiesen sowohl Laschet Junior wie Senior und der Van Laack Geschäftsführer vehement zurück.

Neben dem Zustandekommen des Auftrags ist natürlich interessant, was aus ihm überhaupt geworden ist, schließlich wurden 45.408.156,85 Euro inkl. MwSt. Steuergeld freihändig vergeben. Das bedeutet, es gab kein ordentliches Ausschreibungsverfahren.

Auf unsere Frage, mit welchen Firmen außer Van Laack Armin Laschet bzw. das Land NRW über die Lieferung von Schutzkitteln verhandelte, teilte uns die Staatskanzlei NRW mit, wir sollten beim zuständigen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW nachfragen. Auf unsere Nachfrage, warum Armin Laschet dann bei Van Laack anrief, obwohl das Gesundheitsministerium zuständig ist, erhielten wir die Standardantwort der Staatskanzlei, dass man auf der Höhe der Pandemie Kontakt zu Firmen in ganz Deutschland gesucht hätte, „um schnellstmöglich Abhilfe“ bei der Beschaffung von Schutzkleidung zu schaffen. Neben Armin Laschet hätten auch andere Mitglieder der Landesregierung NRW persönliche Gespräche geführt. Unsere Nachfrage, welche Mitglieder der Landesregierung NRW mit welchen Firmen gesprochen haben, blieb durch die Staatskanzlei unbeantwortet.

Darüber hinaus kann man darüber streiten, ob der 20.4.2020, als der Auftrag an Van Laack vergeben wurde, den „Höhepunkt der Pandemie“ darstellte. Denn nachdem es laut Robert Koch-Institut am 4.4.2020 in Deutschland noch 6.082 neu registrierte Corona-Infektionen gab, flachte das Infektionsgeschehen zum 20.4.2020 mit 1.775 registrierten Neuinfektionen deutlich ab. Das sah übrigens auch Armin Laschet so, der um den 20.4.2020 Lockerungen in seinem Bundesland gegenüber Kritik verteidigte und zu Anfang Mai mehr Lockerungen in NRW wollte. Der 20.4.2020 war ironischerweise auch der Tag, an dem in Deutschland Angela Merkels Ausspruch von den „Öffnungsdiskussionsorgien“ breit diskutiert wurde, auch wir podcasteten darüber.

Auf unsere Frage, mit welchen Firmen außer Van Laack das Land NRW über die Lieferung von Schutzkitteln verhandelt hat, gab es vom Gesundheitsministerium NRW keine konkrete Antwort, außer, dass man im Laufe der Pandemie ca. 7.000 Angebote über Persönliche Schutzausrüstung erhalten habe, darunter auch ein ungeeignetes Angebot über „Schutzponchos“. Ob mit anderen Firmen außer Van Laack über die Lieferung von 10.000.000 Schutzkitteln verhandelt wurde, ist der Antwort nicht zu entnehmen.

Eine Nachfrage bei der in Burladingen ansässigen Textilfirma TRIGEMA ergab, dass es vom Land NRW keine Anfrage über die Lieferung von 10.000.000 Schutzkitteln gab. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Geschäftsführer der Firma Trigema, Wolfgang Grupp, der Rheinischen Post am 3.12.2020 mitteilte, dass er nichts verwerfliches daran findet, wenn ein Ministerpräsident persönliche Kontakte nutzt, um in einer Notsituation Masken zu beschaffen. Allerdings sprach er in seinem Beispiel von Masken, die sofort geliefert werden könnten. Heute, wo es genug Masken auf dem Markt gäbe, müsse man natürlich eine Ausschreibung machen. Unsere Nachfrage, ob TRIGEMA im April in der Lage gewesen wäre, zumindest einen Teil von 10.000.000 Schutzkitteln zu produzieren, wollte uns die Firma leider nicht beantworten.

Die für die Pressearbeit Van Laacks verantwortliche Firma beantwortete zwei unserer Anfragen nicht, will sich zu dem Vorgang anscheinend nicht über das hinaus äußern, was Geschäftsführer Christian von Daniels bisher erklärt hat. Zum Beispiel bei einem Gespräch an der Privatuniversität Witten/Herdecke, wo er noch einmal bekräftigte, es sei alles „pieksauber“ gelaufen.

Nun also zur Frage, was aus den bestellten 10.000.000 Schutzkitteln für 4,50 Euro das Stück eigentlich geworden ist. Das Gesundheitsministerium NRW beantwortete unsere bereits Mittwoch gestellte Anfrage, wie viele Kittel bereits geliefert und verteilt worden sind leider noch nicht.

Wir fragten also die sieben Unikliniken NRWs in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Münster und Wuppertal, ob sie Schutzkittel aus der Van-Laack-Lieferung erhalten haben und wie diese eingesetzt werden.

Die Universitätsklinik Aachen teilte mit, dass man keine Van- Laack-Schutzkittel benötigt habe, weil man immer ausreichend Schutzausrüstung gehabt hätte.

Die Universitätsklinik Bonn teilte am 15.12.2020 mit, dass am 9. September 2020 28.800 Schutzkittel der Firma Van Laack geliefert worden seien. Ob diese Kittel auch eingesetzt werden, konnte zunächst nicht beantwortet werden, die Antwort wird noch nachgereicht.

Die Uniklinik Düsseldorf reagierte nicht auf unsere Anfrage.

Die Universitätsklinik Essen bat um mehr Zeit zur Beantwortung der Anfrage, wir werden die Antwort aktualisieren, falls sie noch eintreffen sollte. Am 15. Dezember 2020 teilte sie uns mit, dass am 27. August 2020 insgesamt 40.320 Schutzkittel der Firma Van Laack geliefert worden wären, diese durch die Hygiene-Abteilung des Hauses geprüft worden wären und nicht für die Verwendung freigegeben wurden, da sie zu schnell reißen. Die Uniklinik Essen setzt nur Persönliche Schutzausrüstung ein, die nach DIN EN ISO 10993-5 zertifiziert wurde.

Die Universitätsklinik Köln wollte unsere Anfrage nicht beantworten und teilte mit, dass die Beschäftigten mit „geeigneten Schutzmaterialien“ ausgestattet werden und man keine detaillierten Angaben in Bezug auf einzelne Hersteller machen werde.

Die Universitätsklinik Wuppertal war nicht zu erreichen.

Lediglich die Universitätsklinik Münster beantwortete unsere Anfrage ausführlich: In der Kalenderwoche 37, also in der zweiten Septemberwoche, seien 28.800 Schutzkittel der Firma Van Laack geliefert worden. Diese würden momentan aber nicht genutzt, da eine Prüfung nach der Europäischen Norm 14126 noch ausstehen würde. Sollten die Kittel nicht der EN 14126 entsprechen, werden sie auch nicht eingesetzt. Um die Zertifizierung muss sich nach Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte übrigens die herstellende Firma kümmern, was Van Laack bis jetzt offenbar noch nicht erledigt hat.

Eine Anfrage, ob die Schutzkittel Van Laacks nach EN 14126 zertifiziert sind, beantwortete die Firma, die die Pressearbeit für Van Laack macht, nicht. Die Bekanntmachung der Vergabe des Auftrags an Van Laack auf der EU-Vergabeplattform, die uns vorliegt, enthält unter „Bezeichnung des Auftrags“ sowie „Kurze Beschreibung“ lediglich den Hinweis „Beschaffung von PSA im Rahmen der Coronapandemie“. Es ist also nicht klar, ob das Land NRW bei der Vergabe überhaupt Wert darauf legte, dass die Schutzkittel nach EN 14126 zertifiziert werden.

Fassen wir zusammen:

Zu einem Zeitpunkt, als Armin Laschet selbst für mehr Lockerungen in NRW plädierte, bestellte das Land 10.000.000 Schutzkittel für 45.408.156,85 Euro inkl. MwSt. Zustande kam der Auftrag, weil Laschets Sohn über seine Zusammenarbeit mit Van Laack den Geschäftsführer Christian von Daniels kannte und seine Nummer an Armin Laschet gab. Andere Textilunternehmen, wie zum Beispiel die Firma TRIGEMA, wurden vom Land NRW nicht angefragt, ob sie den Auftrag erfüllen können. 40.320 Schutzkittel wurden am 27. August 2020, vier Monate nach Bestellung, an die Uniklinik Essen geliefert, die sie nicht einsetzt, weil sie zu schnell reißen. 28.800 der Schutzkittel wurden in der zweiten Septemberwoche, also viereinhalb Monate nach der Bestellung, an die Uniklinik Münster geliefert, die diese aber nicht benutzt, weil die Schutzkittel knapp drei Monate nach Lieferung noch immer nicht nach der notwendigen EN 14126 zertifiziert sind, worum sich Van Laack kümmern müsste. Da das Land NRW Fragen hierzu bis jetzt nicht beantwortet hat, ist nicht klar, ob überhaupt Schutzkittel der Firma Van Laack an Kliniken in NRW im Einsatz und ob sie überhaupt für einen Einsatz zur Behandlung von Corona-Patienten geeignet sind.

Update 11.12.2020 18:55 Uhr:

Die Staatskanzlei NRW hat sich nochmal gemeldet.

Die Frage „Welche Mitglieder der Landesregierung NRW führten mit welchen Unternehmen persönliche Gespräche über die Lieferung von Schutzkleidung?“

wurde von einem Sprecher wie folgt beantwortet: „Zu Ihrer ersten Frage bitten wir um Verständnis, dass die Landesregierung grundsätzlich keine Auskunft gibt über mögliche Gespräche und deren Inhalte, die der Ministerpräsident nicht-öffentlich führt. Darüber hinaus verweisen wir an die entsprechenden Ministerien.“

Das heißt die Staatskanzlei NRW gibt zwar Statements raus, in denen sie behauptet, neben Laschet hätten auch andere Mitglieder der Landesregierung NRW Gespräche mit Firmen über die Lieferung von Schutzkleidung geführt, auf Nachfrage ist sie aber nicht in der Lage dies in irgendeiner Form zu belegen.

Die Fragen „Wie viele Hinweise aus der Bevölkerung gab es, durch welche Stelle wurden sie bearbeitet?“ und „Warum können Sie mir mitteilen, dass die Landesregierung NRW Kontakt zu Unternehmen aus ganz Deutschland gesucht hat, jedoch nicht, welche Unternehmen dies konkret waren?“

wurden mit einer Antwort beantwortet, die wir bereits vom Gesundheitsministerium hatten und es wurde seitens der Staatskanzlei darauf verwiesen, dass das Gesundheitsministerium NRW zuständig sei. Das heißt die Staatskanzlei NRW behauptet zwar, man wäre bezüglich der Beschaffung von Schutzausrüstung zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung nachgegangen, auf Nachfrage kann sie dies jedoch nicht mit Zahlen belegen. Man behauptet, man hätte Kontakt zu zahlreichen Unternehmen in Deutschland gesucht, kann dies aber nicht belegen.