Tschüss CDU, Tschüss FDP

Es ist kein Geheimnis, dass der deutsche Liberalismus in Form der FDP keine Antwort auf irgendeine Frage hat, die man sich so stellt, wenn man in diesen Zeiten in Deutschland lebt. Statt durchzudeklinieren, was Freiheit im 21. Jahrhundert bedeuten könnte, statt sich Gedanken zu machen, wie das Verhältnis von Bürgern zu Staat und Konzernen sein sollte, werden nur noch Holzschnittartige Parolen rausgehauen. Die sind so Unterkomplex, dass man sich die Frage stellen muss, ob das wirklich noch Politik ist, was die FDP da macht, oder schon sich selbst kommentierende Realsatire.

Spätestens seit Christian Lindners „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ im Jahr 2017 ist klar: Jede Stimme an die FDP ist eine verschwendete. Die FDP ist einfach nicht in der Lage, ihrer staatspolitischen Verantwortung nachzukommen.

Aber auch der deutsche Konservatismus in Form der CDU ist in der Krise: Zu lange hat er Nichtstun mit Politik verwechselt. Das Ergebnis erleben wir jeden Tag immer dann in Deutschland, wenn wir der Infrastruktur beim zerbröseln zugucken können, wenn kaputtgesparte Behörden nicht mehr ihren Aufgaben nachkommen können, wenn wir keinen Empfang haben, weil wir im Zug sitzen, in einem Funkloch wohnen, es grade regnet. Auch die CDU kommt ihrer staatspolitischen Verantwortung nicht mehr nach, wenn auch nicht ganz so schlimm, wie der Clownverein, zu dem die FDP verkommen ist. (Die SPD ist nur graduell besser als die CDU, sie hat 2005 Angela Merkel als Kanzlerin ermöglicht, sie hat 2013 die historische Chance für Rot/Rot/Grün im Bund nicht genutzt, ich kann hier grade aber keine Generalabrechnung schreiben)

Ihre staatspolitische Verantwortungslosigkeit, ihre intellektuelle Verwahrlosung zur Schau gestellt haben CDU und FDP heute, am 5.2.2020, in Thüringen. Dort ließ sich der Vorsitzende der Thüringer FDP, Thomas Kemmerich, von der faschistischen 💩fD zum Ministerpräsidenten wählen. Ein billiger Taschenspielertrick: Weil CDU und FDP Bodo Ramelow nicht wollten, haben sie mit Hilfe der 💩fD den Kandidaten der Partei gewählt, die es mit nur 73 Stimmen über der 5%-Hürde in den Landtag schaffte. Kemmerich setzte sich mit einfacher Mehrheit mit nur einer Stimme gegen Bodo Ramelow durch. Auch wenn es keinen Automatismus gibt, dass die stärkste Partei den Ministerpräsidenten oder die Ministerpräsidentin stellt, gehört nicht viel Fantasie dazu zu erkennen, dass diese Wahl den Wählerwillen am denkbar schlechtesten abbildet. Hinzu kommt noch, dass Kemmerich nur mit einfacher Mehrheit gewählt wurde, d.h. er hat nicht einmal die Mehrheit der Abgeordneten des Thüringer Landtags hinter sich.

Damit ist klar: Wenn es hart auf hart kommt, paktieren CDU und FDP mit der 💩fD, um kurzfristige politische Vorteile zu erlangen, ohne Rücksicht auf Verluste. Zu behaupten, sie täten das nicht, weil sie wären ja nicht mit der 💩fD in einer Regierung, ist Wortklauberei. Fakt ist: Ohne die Stimmen der 💩fD wäre Kemmerich nicht zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Fakt ist auch: Ohne die 💩fD werden CDU und FDP nicht regieren können. Denn der Thüringer Landtag wird 2021 einen neuen Haushalt verabschieden müssen. Linke, SPD und Grüne wären ja komplett bescheuert, wenn sie das Gebaren der Parteien, die sich nicht an demokratische Spielregeln halten, dann durch die Verabschiedung eines Haushalts legitimieren würden.

Ich weiß offen gesprochen nicht, ob Kemmerich irgendeinen Plan hat. Ich denke nicht.

Ich weiß aber, dass in den nächsten Tagen die Stimmen laut werden werden, die sagen, man müsse das Ergebnis jetzt akzeptieren und Linke, SPD und Grüne seien jetzt in der Pflicht, konstruktiv mitzuarbeiten. Das ist blanker Hohn: Diejenigen, die nicht in der Lage waren, eine Rot/Rot/Grüne Minderheitsregierung zu unterstützen, die also nicht in der Lage waren, einen konstruktiven Kompromiss mit denen zu finden, die seit fünf Jahren die Regierung stellten, die werden diese Kompromissfähigkeit dann einfordern.

CDU und FDP beschädigen die Demokratie. Wer sie wählt, wird irgendwann die 💩fD in der Regierung haben. Das war vorher klar, das ist heute klarer geworden. Heute ist ein weiterer Schritt vollzogen worden, um die faschistische 💩fD als Regierungspartei zu legitimieren. Einige Medien betiteln die Ereignisse in Thüringen als „Sensation“ oder „Paukenschlag“ und zeigen damit eindrucksvoll, dass ihnen die historische Dimension dieses Tages nicht klar zu sein scheint.

Ich spare mir die Floskeln von Tabubrüchen, gefallenen Masken und brechenden Dämmen. Davon können wir uns alle ein Eis backen. Die einzige Frage, die man sich stellen muss ist, in was für einem Land man leben will. CDU und FDP wollen in einem leben, in dem die 💩fD etwas zu sagen hat. Ich weiß gar nicht für wen ich das hier aufschreibe. Wahrscheinlich für die Leute, die später wieder behaupten werden, man hätte das ja alles nicht ahnen können.

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Eine Antwort auf „Tschüss CDU, Tschüss FDP“

  1. Zwei Dinge, die dieses Desaster hoffentlich verdeutlicht:
    1) Bei Wahlen kommt es auf jede Stimme an. Nur 73 Stimmen weniger für eine vielfach verlachte Kleinpartei, und das höchste Amt im Bundesland wäre an jemand anderen gegangen.
    2) In der repräsentativen Demokratie werden politische Realitäten in letzter Konsequenz immer im Parlament geschaffen. Und auch dort kommt es auf jede Stimme an. (Das wussten wir zwar prinzipiell schon vorher, schließlich hat RRG in Thüringen bisher mit eben nur einer Stimme Mehrheit regiert, aber heute ist es hoffentlich nochmal extradeutlich geworden.)

    Wenn hier irgendwas Positives bei rumkommen sollte, dann also hoffentlich die gestärkte Erkenntnis, das Wahlrecht eine moralische Wahlpflicht ist, und dass Abgeordnete individuell Macht besitzen.

    Elections have consequences. Never skip a vote.

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